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Erfahrungsberichte

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Mein Erfahrungsbericht

Es war meine 2. Schwangerschaft (ich habe eine Tochter, geb. im Juni 2018) und sie verlief von Anfang an total anders als meine erste. Bereits einen Tag nach dem positiven Test hatte ich Schmierblutungen. Ich war sehr unsicher und hatte Mühe meinem Körper zu vertrauen. Ich war sehr erleichtert als wir dann beim Ultraschall endlich das Herzchen schlagen gesehen haben. Die Blutungen blieben bis etwa zur SSW 12, ohne dass ich die Ursache dafür wusste. Dann wurde ich endlich ruhiger und konnte wieder Vertrauen fassen, dass alles gut wird. Am 21. Dezember 2021 (SSW 19+5) kam alles anders. Ich erwachte in der Nacht weil ich einen schrecklichen Traum hatte. Wach im Bett, fühlte ich, dass es rund um mich nass war. Ich dachte an Fruchtwasser. Ich machte Licht, stand auf und erlebte den Schock meines Lebens. Mein Bett war voller Blut und es lief mir nur so die Beine runter. Ich wusste: das war’s. Sofort weckte ich meinen Mann und rief im Gebärsaal an. Sie verwiesen mich weiter an die Frauenklinik. Mein Mann packte das nötigste und raste mit mir los. Das Herzchen schlug und bei mir wurde eine Plazenta praevia totalis diagnostiziert, daher die Blutung. Ich bekam wehenhemmende Medikamente über die Infusion, obwohl ich keine Wehen hatte. Ob es half, konnte man mir nicht sagen. Klar war aber, dass unser Kleiner in dieser Woche keine Überlebenschanchen gehabt hätte, wäre er zur Welt gekommen. So verbrachte ich Weihnachten alleine im Spital. Es war eine Achterbahnfahrt für uns alle. Ich hatte auch im Spital unter den Medikamenten nach wie vor Blutungen aber nicht so starke. An Silvester wurde ich nach Hause entlassen. Ich war einerseits froh, hatte aber auch grosse Angst, weil ich wusste, dass ich ziemlich sicher erneute Blutungen haben werde. Ich war dann 10 Tage zu Hause und dann folgte die zweite grosse Blutung. Wieder in der Nacht. Diesesmal stärker und wir fuhren mit dem Krankenwagen in die Frauenklinik. Dasselbe Vorgehen wie beim letzten Mal. Ich war etwas ruhiger und musste 10 Tage in der Frauenklinik bleiben. In dieser Zeit hatten wir ein Gespräch mit einem Oberarzt der Neonatologie, der uns über eine Frühgeburt aufklärte. Es war klar, dass unser Baby zu früh auf die Welt kommen würde. Das Gespräch hat uns geholfen uns in etwa vorzustellen was auf uns zukommen wird. Ich erhielt dann bei SSW 23+5 die erste Spritze um die Lungenreifung des Babys zu unterstützen. So hielt sich alles wieder einigermassen stabil und ich konnte nochmal nach Hause. Ich war jedoch nur eine Woche zu Hause. Die nächste Blutung war dann tagsüber und zum Glück nur leicht. Ich war jedoch mit meiner Tochter alleine zu Hause und mein Vater musste mich ins Spital fahren. Der Oberarzt im Gebärsaal meinte zu mir, dass es zwei Varianten gibt: entweder gehe ich jetzt wieder nach Hause oder ich bleibe hier - wenn ich bleiben würde, dann diesmal definitiv bis zur Geburt. Da ich mich sicherer fühlte und meine Familie ruhiger war, entschied ich mich zu bleiben. Ich wurde wieder auf die Pränatalstation verlegt, die inzwischen mein zweites zu Hause war. Am 12. Februar hatte ich dann bei SSW 27+1 erneut eine sehr starke Blutung und wurde in den Gebärsaal verlegt. Wir dachten, dass es nun kein zurück mehr gibt und sie den Kleinen holen müssen. Doch die Blutung hat sich beruhigt und ich konnte am nächsten Morgen zurück auf die Station. Die Ungewissheit und das hin & her waren sehr schwierig für mich und meinen Mann.


Am 15.2.22 bei SSW 27+4 war ich Abends am CTG als ich plötzlich erneut eine sehr starke Blutung hatte. Die Hebamme zögerte nicht und brachte mich direkt in den Gebärsaal. Ich rief meinen Mann an, der sich direkt auf den Weg machte. Im Gebärsaal angekommen stellten sie die Wehenhemmer auf die höchst Dosis und der Oberarzt meinte, dass wir nun eine halbe Stunde Zeit haben um zu schauen was passiert. Gleichzeitig bereiteten sie mich für die Sectio vor. Ich hatte grosse Angst. Ich spürte, dass diese Operation nicht gut verlaufen würde. Ich hatte eine Spinalanästhesie. Mir wurde bereits am Anfang der Sectio übel. Irgendwann hörte ich einen leisen, kurzen Schrei - um 19.38 Uhr wurde unser kleiner Ennio mit 1180 g und 38 cm geboren. Leider konnten wir uns erstmal nicht auf Ennio konzentrieren, der nebenan von den Ärzten bestens versorgt wurde. Meine Blutung konnte nicht gestoppt werden und mein Mann musste den OP verlassen. Ich hatte unglaubliche Angst und alles kam mir vor wie eine Ewigkeit. In Gedanken kam mir immer wieder das Einwilligunsformular der Operation in den Sinn, wo die Gebärmutternentfernung als grösstes Risiko aufgeführt war. Ich hatte mich bereits während der Sectio darauf eingestellt, weil ich immer wieder gehört habe, dass sie die Blutung nicht stoppen konnten. Irgendwann konnten sie die Blutung mit Hilfe eines Bakriballons doch stoppen. Ich konnte es fast nicht glauben.


Ich kam dann in den Aufwachraum wo ich endlich meinen Mann sehen konnte. Ennio ging es gut, er kam sofort ans CPAP und wurde künstlich ernährt. Im Aufwachraum bekam ich unglaublich starke Schmerzen und die Blutung hatte wieder eingesetzt. Die letzte Erinnerung die ich noch habe, war dass die Ärzte mit mir durch den Gang gerannt sind und mit auf den Bauch gedrückt haben. Ich konnte mich nicht mehr von meinem Mann verabschieden und mein Gedanke war, dass ich ihn nie wieder sehen werde. Ich musste sofort in den OP und wurde Notoperiert. Der letzte Ausweg die Blutung zu stoppen war die Hysterektomie. Ich verlor etwa vier Liter Blut und hatte viele Transfusionen. Es war alles sehr knapp und ich habe grosses Glück, dass ich heute noch da bin. Ich war dann eine Nacht auf der Intensivstation und kam dann am nächsten Mittag in den Gebärsaal zurück wo ich weiter überwacht wurde. Meine Werte waren noch nicht gut und so erhielt ich nochmal eine Transfusion. Für mich war die Nachricht am Morgen auf der Intensivstation, dass sie mir die Gebärmutter entfernen mussten, erstmal kein Schock, denn ich hatte ja bereits während der Sectio damit gerechnet. Ich war einfach sehr dankbar, am Leben zu sein.


Am Abend wurde ich endlich im Bett zu Ennio auf die Intensivstation gebracht. Ihn so winzig und zerbrechlich zu sehen war erschütternd und beeindruckend zugleich. Ich durfte ihn das erste mal ins Känguru nehmen, das war ein unbeschreibliches Gefühl. Nach ein paar Tagen wurden wir in einem Gespräch informiert, dass Ennio eine kleine Hirnblutung hatte. Das war ein grosser Schock für uns. Niemand konnte und kann uns sagen ob und welche Auswirkungen diese Blutung für Ennio haben wird. Diese Ungewissheit war für uns in den ersten Wochen sehr schwierig zu ertragen. Irgendwann ging’s dann etwas besser. Nach etwas mehr als einer Woche wurde Ennio auf die normale Neo verlegt. Ennio war nach wie vor am CPAP und wurde über die Magensonde ernährt. Nach einigen Tagen hatte er leichte Anzeichen eines Infekts. Er hatte Antibiotika bekommen. Die Blutwerte haben dann glücklicherweise nicht für einen Infekt gesprochen und so hatte er während der gesamten 14 Wochen Neo keinen einzigen Infekt. Sein Ductus war noch offen. Für eine medikamentöse Therapie war es zu spät und so mussten wir hoffen, dass er sich von alleine schliesst, was er auch tat. Irgendwann erhielt er auch eine Bluttransfusion. Die Atemsituation war jedoch immer Ennio‘s Hauptthema. Er hatte bereits nach kurzer Zeit viele Wassereinlagerungen und hat Diuretika bekommen. Nach einigen Wochen haben die Ärzte die Therapie gestoppt und leider hatte er dann nach ein paar Tagen wieder Einlagerungen und mehr Sättigungsabfälle. Also mussten wir die Diuretika wieder starten. Nach etwa 6 Wochen wurde versucht Ennio vom CPAP zu entwöhnen. Anfangs sah es stabil aus. Doch dann erhielten wir den Anruf, dass er zu viele Abfälle macht und er war dann am high-flow. Für uns war‘s wieder ein Rückschritt und das nach Hause kommen ist wieder in die Ferne gerückt. Das hin & her war zu diesem Zeitpunkt unerträglich und wir waren mit den Kräften am Ende. Trotzdem funktionierten wir weiter. Schoppenversuche haben geklappt, worüber wir uns sehr freuten. Irgendwann hatte Ennio 72h keine Bradykardien mehr und das EKG konnte entfernt werden - eine Hürde war geschafft. Ziemlich genau einen Monat nach dem gescheiterten CPAP Weaning haben wir einen erneuten Versuch gestartet das high-flow zu entwöhnen - und es hat geklappt. Das war für uns ein unglaublicher Schritt in Richtung nach Hause. Nun musste er noch die 72h ohne Sättigungsabfälle hinbekommen. Eine erneute Geduldsprobe. Viele Male sah es vielversprechend aus. Dann nach 48h der Alarm. Wieder ein Abfall. Alles nochmal von vorne. Immerhin durften wir inzwischen mit Ennio spazieren und erfahren wie es ist ohne Monitor und ohne Pflegeteam. Am Anfang war ich sehr unsicher und musste immer anhalten um zu fühlen ob er gut atmet. Und dann plötzlich an einem Wochenende an dem unsere lieblings Pflegefachfrau Dienst hatte sah es gut aus, keine Abfälle mehr. Wir konnten Ennio nach Hause holen - was für ein erleichterndes, unbeschreibliches Gefühl!


Ich persönlich kam mir während der ganzen Neo Zeit vor wie im Film. Über mein persönliches Wohlbefinden und was es heisst keine Gebärmutter mehr zu haben, hatte ich nur bedingt Zeit mich damit auseinanderzusetzen. Den Kaiserschnitt und die Not Operation zu verarbeiten waren aber ein grosses Thema welches wir auch mit unserer Wochenbett Hebamme oft besprochen haben. Zu Wissen, dass ich bei der OP fast gestorben wäre, hat mir den Boden unter den Füssen weggezogen. Ich habe mir immer und immer wieder vorgestellt wie es für meinen Mann und die Kinder wäre, wenn ich nicht mehr da wäre. Ein Schrecklicher Gedanke.


Mir wurde dann während der Zeit auf der Neonatologie psychologische Hilfe angeboten. Mit meiner Psychologin konnte ich dann alle Themen die sich während und nach der Schwangerschaft ergeben haben besprechen und aufarbeiten. Dies hat mir sehr geholfen und nur deshalb stehe ich heute da wo ich bin. Ebenfalls bin ich sehr froh und dankbar, Pascale kennen gelernt zu haben und mit ihr unser Netzwerk zu gründen. Ich kann jeder betroffenen Frau, den Austausch mit anderen empfehlen - das Gefühl von jemandem RICHTIG verstanden zu werden ist sehr tröstend für mich.

 

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